Donnerstag, 16. Januar 2014

Öko oder Etikettenschwindel?

Der Wald bietet Stoff für viele Geschichten. Eine trägt
den Titel "Ausgefuchst" und hat mir gar nicht gefallen.

Heute habe ich ein neues Magazin entdeckt. Wald heißt es, und bei diesem Titel musste ich sofort an mare denken. Wenngleich Wälder nicht annähernd einen so großen Teil der Erdoberfläche bedecken wie die Meere, sind sie thematisch ein mindestens ebenso weites Feld, das jahrelang journalistisch beackert werden kann, ohne dass die Gefahr der Wiederholung besteht.
"Die ruhigen Seiten des Lebens" lautet der Untertitel des Magazins. Ich fühlte mich sogleich angesprochen. Beim Blättern wurde mir das Heft immer sympathischer. Gut gemacht und interessante Geschichten, dachte ich. Und man merkt, dass den Blattmachern Natur- und Klimaschutz und Nachhaltigkeit durchaus wichtig sind.
Doch dann der große Schock: "Ausgefuchst" heißt es auf Seite 82. Dort beginnt eine Fotostrecke über modische Accessoires aus Fuchsfell. Nein, das kann doch gar nicht sein. Ein Magazin mit gewissem Anspruch würde doch sich doch heute nie und nimmer erlauben, echten Pelz zu präsentieren. Das verbietet schon allein die political correctness.
Ich zeigte Marion die Seiten. Sie war entsetzt. Ich grinste: "Du, ich war auch ganz fassunglos, aber das ist bestimmt fake fur – Kunstpelz. Das kann doch gar nicht anders sein."
"Na, da wäre ich mir nicht so sicher."
"Moment, hier steht, die Pelze seien von Friendly Fur. Lass' uns mal googeln..."
Auf der Website des Berliner Unternehmens, die ich hier nicht verlinke, weil ich nicht noch auf deren Produkte aufmerksam machen will, wird der Besucher gleich eingeteilt: Für "Gutmenschen" gibt es einen Button mit der Aufschrift "NO", wer ihn drückt, wird zu Google weitergeleitet. Der Button mit der Aufschrift "Yes" ist, so wird es erklärt, Besuchern vorbehalten, die den Naturschutz ernst nehmen und offen für die "fundierte Botschaft" des Labels sind. Diese Botschaft besteht aus vier Worten: "Happy Fur – friendly Nature". Das Logo dazu ist grün und sieht aus wie ein Gütesiegel.
Das Unternehmen verarbeitet angeblich ausschließlich Pelze von "glücklichen Füchsen". Darunter werden die verstanden, die nicht auf Pelztierfarmen aufgezogen, sondern in freier Wildbahn von Jägern erlegt worden sind.
Rund 650.000 Füchse werden nach Angaben der Jagdverbände jedes Jahr in Deutschland geschossen. Das ist angeblich zwingend notwendig, da sich die Füchse sonst zu stark vermehren und Krankheiten verbreiten würden. Angeblich landeten die meisten Kadaver früher in der Tierkörperbeseitigungsanstalt oder wurden von den Jägern gleich im Wald verscharrt. Jetzt nutzt Friendly Fur sie und sieht darin einen aktiven Beitrag gegen die "Verschwendung" eines Naturprodukts.
Im Forum des Jagdmagazins Wild&Hund ist hier nachzulesen, dass Friendly Fur für jeden Fuchsbalg 18 Euro zahlt. Aus Sicht des Designers Nikolas Gleber ist das, wie er in seinem Rundbrief an die Jäger schreibt, nur ein "Taschengeld". Doch für viele Jäger kann es eine zusätzliche Motivation sein, noch mehr Füchse abzuknallen.
Außerdem ist es das falsche Signal, meine ich, denn durch Friendly Fur wird das Tragen von Pelz wieder salonfähig gemacht – quasi durch die Hintertür. Da es dem Fuchspelz nicht anzusehen ist, ob er von einem "glücklichen" oder "unglücklichen" Fuchs stammt, kann jede Fuchspelzträgerin ganz einfach behaupten, ihr Pelz sei von Friendly Fur und damit "ökologisch korrekt". Kaum jemand wird soweit gehen, von der Trägerin die Vorlage eines entsprechenden Zertifikates zu verlangen.
Bei der Recherche zu Friendly Fur stellte ich verwundert fest, dass das Unternehmen offenbar schon seit  einigen Jahren auf dem Markt ist. In den Medien hat es überwiegend wohlwollende Kritiken erhalten. So schrieb Bild am 28.10.2008: "Aber auch wer echten Pelz liebt, kann in diesem Jahr mit reinem Gewissen zuschlagen. Seit dem Sommer 2008 produziert die deutsche Firma „Friendly Fur“ eine politisch unbedenkliche Pelzkollektion." Die Tierrechtsorganisation Peta sprach sich erwartungsgemäß generell gegen das Tragen von Echtpelz aus, aber die großen Naturschutzverbände hielten sich mit Kritik weitgehend zurück.
Karl Lagerfeld vertritt zwar die Auffassung, dass wir, solange wir Fleisch essen, uns nicht über Pelze beschweren dürften, aber da ich ja kein Fleisch esse, darf ich mich doch wohl etwas aufregen, oder? Außerdem sollten Modedesigner mit gutem Beispiel vorangehen und schon jetzt auf tierische Produkte möglichst verzichten, denn spätestens in einigen Jahren werden sie sich vor der wachsenden Schicht kritischer Verbraucher rechtfertigen müssen, die nicht nur nach dem Preis eines Produktes, sondern auch nach der Herkunft und der Verarbeitung fragen. Dass Öko-Mode im Trend liegt, zeigt die gerade laufende Fashion Week in Berlin. Dazu heißt es auf der Seite des Veranstalters: "Eco Fashion und Sustainable Design sind Wachstumsbereiche in Berlin, die zunehmend an internationaler Strahlkraft gewinnen. Immer stärker stellen Unternehmen, Plattformen, Netzwerke und Verbände am Standort das Thema Nachhaltigkeit in den Fokus ihrer Arbeit und immer mehr Konsumenten entwickeln ein Bewusstsein für ökologisch und sozialverträglich gefertigte Produkte."
Zum Schluss noch ein Zitat von der Seite fuechse.info: Dort heißt es: "Die PR-wirksam in Szene gesetzte Vermarktung von 'Öko-Pelzen' ist damit letztlich nur ein Etikettenschwindel auf Kosten der Tiere: Sie müssen auch für 'Friendly Furs' leiden und sterben, während Pelzhändler mit dem betrogenen Gewissen leicht beeinflussbarer Kunden Kasse machen"
PS: Dem Magazin "Wald" ist es dank der Fotostrecke "Ausgefuchst"nicht gelungen, mich als Leserin zu gewinnen.



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